Grausame Töchter? Interview mit Hanna und Marie aus Hamburg

Punktöchter haben es nicht leicht. Ihre berufsjugendlichen Väter schreiben Artikel über gemeinsame Festivalbesuche, wissen angeblich immer besser, was gerade so angesagt ist im Oi!-Punk, und dann erst die Klamotten. Aus diesem Anlass und einem halben Jahrhundert Jan Apel („bestgekleideter Weißweinultra“, Linus V.), ein Interview mit zweien, die es wissen müssen: Hanna und Marie!

Hallo ihr zwei! Stellt euch bitte mal jeweils kurz vor. Wer seid ihr, womit verbringt ihr viel Zeit und welche Musik hört ihr gern?

Hanna: Ich bin Hanna, ich verbring meine Zeit mit studieren und politischer Jugendarbeit und höre ganz verschiedene Musik.
Marie: Hey, Ich bin Marie, ich bin 13 Jahre alt und Jans jüngere Tochter. Im Moment verbringe ich die meiste Zeit leider mit Schule und Sachen die mir Spaß machen zum Beispiel geh ich zwei bis drei mal die Woche zum Fußball. Mein Musikgeschmack ist eigentlich nicht so toll weil ich nur so Zeug höre wie fast jede 13 jährige. Zum Beispiel nämlich Billie Eilish und Ed Sheeran und so…

Was war euer jeweils erstes Konzert, auf das ihr gegangen seid, und wie war es? Was war das letzte?

Hanna: Das erste Konzert, auf dem ich war, erinnere ich gar nicht, aber das war bestimmt eins wo meine Eltern mich als Kleinkind mit hingenommen haben, vielleicht auch eins von deren eigener Band, Abbau West. Das letzte Konzert auf dem ich war dürfte auch schon eine Weile her sein. Das war glaube ich Alt-J.
Marie: Das erste und letzte richtige Konzert auf dem ich war ist dasselbe. Da war ich nämlich bei einem Konzert von den „Beginnern“. Das war eigentlich ganz cool aber ich höre die eigentlich nicht deshalb konnte ich nicht mal mitsingen oder so was…

Hanna, 2015 erschien ein Bericht zu einem gemeinsamen Festivalbesuch mit eurem Papa. Was möchtest du hier ggf. gern richtigstellen? War das ein Thema in der Schule oder im Freund_innenkreis? Marie – du durftest wahrscheinlich noch nicht mit. Weißt du noch, was du an dem Wochenende stattdessen gemacht hast?

Hanna: Der Bericht war kein Thema in der Schule. Meine Freundinnen, die dabei waren, fanden ihn aber glaube ich lustig. Das ist auch schon wieder sehr lange her – für eine Sache möchte ich mich aber noch mal entschuldigen: mein Papa schreib in dem Bericht darüber, dass er ein Loch in seinem Zelt hat. Das lag daran, dass er uns zwar gebeten hat, das Zelt vor der Abreise zur Probe auszubauen, aber dann darauf vertraut hat, dass wir das auch machen, ohne Beweisfotos zu verlangen. Als 15-Jährige hatten wir natürlich besseres zu tun als das 1-Mann-Zelt für meinen Papa aufzubauen, um zu gucken, ob es vollständig ist. Und wie es dann manchmal so kommt, war es das nicht. Das Stück, was gefehlt hat, war an der Zeltdecke und es hat das Wochenende viel geregnet. Danke Papa, dass du nicht sooo sauer warst und sorry noch mal :* 
Marie: Das weiß ich leider nicht mehr, aber ich hab Hanna auf jeden Fall nicht beneidet oder so.

Wer hat wen öfter mit zu Konzerten geschliffen, ihr euren Dad oder er euch? Was war die schlimmste gemeinsame Veranstaltung für euch persönlich? (Familienfeiern zählen auch)

Hanna: Ich glaube, das ist bei uns ziemlich ausgeglichen. Nur einmal hat es nicht geklappt, da wollte ich unbedingt zu Captain Capa und habe zu spät gefragt und dann hats nicht geklappt. Ich hab dann auch keine Karten mehr bekommen oder niemand wollte mitkommen oder so. An dem Abend haben wir (also ich und meine Leute) dann (wie sehr oft mit 13) im Park Tetrapackwein getrunken. Normalerweise fand ich das super (rückblickend fragwürdig), an dem Abend aber sehr deprimierend. Ich war wirklich großer Captain Capa Fan. Am Ende saß ich dann weinend unter einem Baum weil ich so gern da gewesen wäre. Das war auf jeden Fall die schlimmste Nicht-Veranstaltung.
Marie: Also ich war ja erst auf einem Konzert und da war Papa gar nicht mit, aber die schlimmste Veranstaltung war auf jeden Fall als er mich mal in ein Museum geschleift hat und mit mir (definitiv zu lange) in einer Ausstellung war. Ich glaube ich habe mich noch nie in meinem Leben mehr gelangweilt. Und das schlimmste war, dass es in dem Museum sogar einen Kinderbereich gab wo ich in der Zeit richtig coole Sachen hätte machen können, aber nein ich musste mir natürlich langweilige Skulpturen aus Müll angucken.

Wie findet ihr Punkmusik im Allgemeinen so? Was könnte daran besser sein?

Hanna: Ich hab wenig bewusste Verbindung zu Punkmusik, obwohl ich glaube ich sehr damit aufgewachsen bin und dadurch geprägt wurde und so weiter. Würde mich aber nicht als Punk-Fan bezeichnen. Aber ich denke mein Papa ist sehr punk und ich hab mit Sicherheit auch was davon.
Marie: Keine Ahnung ich glaub die ist mir nur zu laut und ich verbinde Musik halt größtenteils mit singen was da ja nicht so geschätzt wird…

Lest ihr gern sogenannte Fanzines wie das Mind The Gap? Kennt ihr das überhaupt, oder was liegt aktuell auf euren Nachttischen?

Hanna: Ich lese keine Fanzines, aber ich bin in der Redaktion von einer Jugendzeitschrift. Wir haben neuerdings auch einen Kulturteil, da geht’s aber mehr um Rap (und zuletzt auch um Beethoven?). Sonst hab ich grad Lenin gelesen, „Was tun?“.

Marie: Harry Potter und die Tribute von Panem.

Ich bin in auf dem Dorf aufgewachsen und nach Hamburg erst nur zum subkulturellen Shoppen gefahren, später (und hoffentlich bald wieder) auf Konzerte. Um eine Stadtjugend habe ich viele beneidet, denn da wurde man zumindest früher mal etwas weniger von Nazis gestresst und gejagt. Oder gilt das heute/für die letzten Jahre auch nicht mehr? Habt ihr schon Erfahrungen mit rechtsradikalen Leuten machen müssen?

Hanna: Ja, Stadtjugend ist super. Ich hatte auch als ich jung war nie Kontakt zu rechten Leuten oder so, das war immer weit weg für mich. Heute nicht mehr so, aber ich beschäftige mich auch viel damit/dagegen, würde ich das nicht tun, hätte ich wahrscheinlich bis heute fast keine Erfahrungen mit Rechten gemacht. Das liegt aber nicht an der Stadt allgemein, sondern daran, dass ich auch in den Szenevierteln aufgewachsen bin. In anderen Teilen der Stadt sieht das auch ein bisschen anders aus.
Marie: Nein zum Glück noch nicht.

Was mögt ihr am Leben in Hamburg, was nicht so?

Hanna: Ich mag eigentlich alles am Leben in Hamburg. Die Leute sind gut, man hat alles was man braucht. Ich bin aber grad in einen anderen Stadtteil gezogen, der eher im Osten der Stadt liegt und nicht so zentral wie St. Pauli/Altona. Das war auch ganz gut so, ich fand’s zwar super, da aufzuwachsen, aber es ist auch ein bisschen wie ne Blase, aus der man mal raus muss. Außerdem ist’s sauteuer mittlerweile.
Marie: Ich find am Stadtleben richtig gut, dass alles immer so nah ist und, dass immer was los ist auf den Straßen. Ich mag aber insgesamt das Landleben auch richtig gerne weil ich manchmal so ein bisschen die Ruhe und Spontanität vom Land vermisse. Also dieses, dass man Nachmittags einfach mal sagen kann: „Ok ich hab jetzt Lust ein bisschen allein spazieren zu gehen“ und das gab einfach machen kann.

Auch eure Mom war ja als Musikerin in diversen Bands aktiv, eure Eltern hatten sogar mal zusammen eine. Habt ihr selbst mal überlegt, ein Instrument zu lernen, oder das gemacht? Wenn ja, kam auch in frage, eine eigene Band zu gründen, oder warum eher nicht?

Hanna: Ich hab mal Klavier gespielt, relativ lange sogar, aber so schlecht, dass ich fast glaube, das zählt nicht. Mein Papa hat mich trotzdem jeden Mittwoch brav hingebracht, eine Stunde mit meiner Schwester auf dem Spielplatz gehangen und mich wieder abgeholt. Eine Band hatte ich auch mal, aber das war in der Grundschule und wir haben nur ein Lied aufgenommen, „Schnee aus Glas“ hieß das. Rückblickend bin ich der Meinung, dass meine Eltern, die ja doch nen guten Geschmack haben, da hätten eingreifen müssen. Also mit der Musik hab ich es auf jeden Fall nie so weit gebracht.
Marie: Also ich hab mal ein bisschen Cello gespielt aber nur weil ich wegen der Schule musste. Deshalb hat mir das dann auch nicht so Spaß gemacht und es kam nie in Frage eine Band zu gründen.

Wie ist es, so „szenige“ Punk- und Indiemusik interessierte Eltern zu haben? Besser als mit Spießereltern oder denkt ihr manchmal auch „boah, das Hemd ist jetzt aber e c h t gewagt“? (kein bestimmtes Elternteil vor Augen… 😉

Hanna: Es ist cool. Meine Eltern waren mir auch nie peinlich, weil sie szenig waren oder so. Ich glaube, mein Papa hats immer ein bisschen darauf angelegt, mich zu blamieren, aber das war ok. Meine Freude fanden meinen Papa auch immer ziemlich cool und witzig.
Marie: Also ich kenn es ja nicht anders deshalb ist das schon ok und ich könnte mir auch gar keine anderen Eltern vorstellen…

Euren Papa hab ich vor fast zehn Jahren auf der Arbeit kennengelernt. Wollt ihr später auch unbedingt bei dem Musikvertrieb Broken Silence arbeiten oder was sind deine Träume für nach der Schule (Marie)/nach dem Studium (Hanna)?

Hanna: Ich studiere ja Philosophie, da ist das mit den Jobs ein bisschen schwierig. Aber ich würde gerne Journalismus oder Bildungsarbeit in irgendeiner Form machen.
Marie: Also mein Traum ist es Tierärztin zu werden, weil ich Tiere liebe und Medizin generell richtig spannend finde.

Wie kommt ihr durch die Corona-Zeit? Habt ihr euch schon etwas daran gewöhnt oder ist immer noch alles komisch? Was macht euch momentan trotzdem Freude?

Hanna: Ich komme gut durch die Zeit, habe auch meinen Nebenjob noch und so weiter. Trotzdem freue ich mich drauf, wenn man wieder rausgehen und Leute treffen kann, ohne sich Gedanken zu machen. Und vor dem Winter habe ich auch ein bisschen Angst, wenn man nicht mehr so gut spazieren kann und es immer dunkel und kalt ist und man dann auch noch viel zuhause ist, das wird bestimmt kacke.
Marie: Also ich komme sehr gut damit zurecht. Das schlimmste ist eigentlich gerade für mich, dass ich jetzt kein Fußball mehr habe und das ist, würde ich sagen, jammern auf hohem Niveau.

Was möchtet ihr unbedingt im Internet noch über euren Dad loswerden?

Hanna: Dass er der beste Plapli der Welt ist. Ich würde noch was peinliches sagen, aber mir fällt jetzt leider nichts peinliches über ihn ein, obwohl ihm mit Sicherheit irgendwas über mich einfallen würde. Mist.
Marie: Oh Gott keine Ahnung ich glaube einfach herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, hab dich lieb.

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