Der nachfolgende Text hatte es 2019 nicht in das Zine geschafft, für das ich damals noch gelegentlich schrieb. Er dokumentiert die Atmosphäre und zunehmende Feminismusfeindlichkeit in einem der größten deutschsprachigen Punkfanzines, bevor Menschen sich aufmachten, eine Kampagne und ein (weiteres) Buch gegen sexistische Szenezustände zu veröffentlichen.
Es war lange Zeit ein bisschen bitter, dass es mir damals verwehrt blieb, „Herrenwitzpunk verrecke“ in ein Vorwort zu schreiben, wenige Jahre später aber zu sehen, dass „Sexismus muss sterben“ als Beutelmotiv im Mailorder-Shop voll klargeht. Nicht weniger bitter ist es immer noch zu sehen, wie sich zum Beispiel ein ehemaliger Redaktionskollege heute als größter feministischer Allierter aufspielt. 2019 fand der es noch lustig, sich den übergriffigen Rainer Brüderle ins Profilfoto zu setzen. Der gleiche Mann fragte mich übrigens mal öffentlich, warum ich eigentlich noch Online-Admin der Bombe wäre. Das war zufällig, als ich eine andere Meinung vertrat als er.
Ich habe mehrfach angesetzt, meinen damaligen Text doch erscheinen zu lassen. In diesem digitalen Zine hier – das 2020 dann einen anderen Namen bekam als zuerst überlegt, siehe unten – ist es ein Jahr komplett ruhig gewesen. Das liegt daran, dass ich meine Doktorarbeit geschafft habe, als Plattenbaukind, wohoo. Ende letzen Jahres lief mein nächster Kettenvertrag aus und ich zog für die nächste Lohnarbeit ziemlich weit weg. Dann wurde eine mir nahestehende Person sehr krank und ich kam zurück in den Nordosten. Dann schrieb ich seit diesem Sommer stattdessen erst mal an Texten zu Musik und sexueller Gewalt – abseits vom Zine.
Vor allem aber liegt es ehrlich gesagt daran, dass ich lange keine Ressourcen für die möglichen Reaktionen hierauf hatte, und deshalb ließ ich den Text liegen. Auch wenn es mir nicht so leicht fällt – und auch nicht g e fällt, nach längerer Abwesenheit das hier als Erstes zu veröffentlichen – ich fände es nicht richtig, dass der Text aus 2019 nie erscheint. Szenezustände überwinden heißt erst recht, die eigenen Redaktionen nicht auszuklammern. Wenn da weiter zentral Typen rumkleben wie vor drei Jahren, na dann Prost.
Hier also ein Geschenk zum Jahresende, auf den knusprigen Untergang unseres Scheißpunkriarchats. Auf dass es ein kleines Stückchen weiter abfackelt.
Kadda
(Sommer 2019, eigentlich als Abschiedsvorwort in der Plastic Bomb geschrieben)
Nach rund 20 Beiträgen für die Bombe seit 2012 streiche ich die Segel und springe auf meinen eigenen kleinen Zine-Kutter namens „Aus der Ferne“. Besonders schweren Herzens verlass ich ja die Runde einiger Herren hier, die vom „Kackthema Genderscheiße“ laberten, große hysterische Abhandlungen über die Belanglosigkeit des Teufels Feminismus schrieben oder die empowernden Effekte von Sexismus erklärten, sich aber wahrscheinlich trotzdem irgendwie erhabener fühlen als AfDler. In der letzten Ausgabe traute sich auch e n d l i c h mal ein Mann, einen total erfrischenden Feminismus-S c h e r z zu machen. „Anlässlich des Weltfrauentages“ wurde da ein Interview mit einer 0% female-Band geführt, höhö, in Erwartung von ein bisschen Gelächter für ein bisschen Gelächter über das Fehlen von Frauen. Ist ja auch ein guter Zeitpunkt: Todesstrafe für Schwangerschaftsabbrüche, Femizide wohin das Auge blickt, aber hey, durch Witz oder fehlende Solidarität ist ja noch keine gestorben. Habt euch nicht so. Lacht gefälligst…! LACHT SCHON!!! Nee mal im Ernst (nur ganz kurz, kein Stress für die, die immer gern was zu lachen haben), man muss auch gar nicht die extremsten Auswüchse betonen. Der normal-angenehme Alltagssexismus reicht schon. Außer natürlich man streitet seine Existenz ab wie einen unliebsamen Zahnarztbesuch, und es gibt ihn gar nicht, easy! Es war speziell „mit“ ein paar männlichen Kollegen hier, und doch ganz gewöhnlich. Das merken sie nur nicht. Außerhalb der Szene zeigen solch lustige Lurche ja genauso jeden Tag ihr kleines bisschen Feminismushass. Da hat es aber wenigstens nicht den Anstrich, achso subversiv zu sein. Dieser anstrengende zynische Zwinkersmiley-Sexismus ist aus meiner Sicht recht perfide; er hat die Auslegung eines bestimmten Aktivismus als Humorlosigkeit gepachtet und seine Betreiber sind ansonsten durchaus fähig zu solidarischen Statements (nur halt nicht für Frauen). Wie kann man da böse sein? Zum Glück gab es in über 7 Jahren Bombe auch andere Begegnungen, ob gesellige Heft-Einpack-Tage mit Ronja und Micha oder ein Interview mit Henni. Sowieso die Interviews. War als ehemalige Veranstalterin schön, auch mal über was anderes mit Bands zu reden als den Schlüssel zur Unterkunft oder die Getränke-Temperatur. Grüße gehen zuletzt an alle, die gegen dummen oder schlauen Sexismus ansingen, anschreiben und sich mit seinen Witzfiguren, pardon, -Erzählern anlegen. Der Plastic Bomb wünsche ich, dass ihre Autorinnen wie Denice Bourbon oder SaRah in den nächsten 100 Jahren irgendwann von Rezensenten bemerkt werden. Alternativ möge das Trust als Erstes eingehen wie meine Ficusse. Dass die Bombe ihre Stimmenvielfalt nicht verliert, weil altbekannte Dominanz sich doch wieder subtil und boshaft durchsetzt. Und insgesamt: Dass alle irgendwie im 21. Jahrhundert angekommenen Zine-Autoren, Leser, Musiker, Hörer, Booker, sich als links verstehenden Leute ihre Puller-only-Punkfreunde jetzt endlich mal in die Schranken weisen, sie nicht weiter hofieren, nicht dulden. Stört dieses gestörte System. Ladet Frauen ein, bucht sie endlich auf Konzerte, interviewt sie, kauft euch Platten von Deutsche Laichen (die aktuelle ist Ende Juli raus), White Lung oder Tacocat. Hört sie einfach mal an. Und dreht denen, die als Witz getarnte Ordnungsrufe verspritzen, den Gifthahn ab. Haltet dagegen. Bemerkt es, wenn auf einem Flyer schon wieder die ewiggleichen drei bis fünfzehn Männerband-Logos kleben. Wobei, bei den Bookings sind wir ja auf einem guten Weg, dank einiger, die keinen Bock mehr auf eingestaubte Vitrinen des Immer Schon Gezeigten haben. Schweigt nicht mehr tot, dass Faschos auch Frauenrechte absägen. Dass Frauenhäuser überquellen und sexuelle Gewalt wie dumme Witze darüber oder über die Bewegungen, die sie bekämpfen, zur Lebensrealität eurer Partnerin, Freundin, Kollegin, Schwester, Mutter und Tochter gehören. Und: Erwartet nicht mehr von Frauen, dass sie euch den selbstverwalteten Dreck hinterhertragen und aufräumen. Das ist, wenn wir mal ehrlich sind, überhaupt nicht unsere Aufgabe. Überfällig, dass ihr euch gegenseitig einfach auf die Pfoten schaut und nicht mehr jeden Mist durchgehen lasst. Ob zum Weltfrauentag (höhö, Fraun) oder ganz alltäglich. Wir lesen und sehen uns. Herrenwitzpunk verrecke, damit wir leben können! Aus der Ferne, Kadda